„Flow“ ist einer der Trend-Begriffe der modernen Psychologie. Was steckt dahinter? Und wie erreiche ich selbst in Corona-Zeiten diesen beglückenden Zustand absoluter Euphorie und Konzentration?

Wer träumt nicht davon: Auch in stressigen Zeiten Euphorie und Hochstimmung zu empfinden, im Einklang mit sich selbst und der Welt zu sein. Als „Flow“ bezeichnen Psychologen diesen erfüllenden Bewusstseinszustand, in dem jemand völlig in seiner Tätigkeit aufgeht: „Wir verschmelzen buchstäblich mit unserer Aufgabe und verlieren dabei oftmals jedes Gefühl für Zeit und Raum“, erläutert Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Eschweiler und Merbeck.

Entgegen landläufiger Meinung führt in der Regel nicht das „Dolce Vita“, also das „süße Nichtstun“, zum Flow-Erlebnis. „Vielmehr gelangen wir durch die Beschäftigung mit erfüllenden Aufgaben in einen beglückenden mentalen Zustand tiefer Konzentration“, betont Dr. Hagemann. „Im Vordergrund steht nicht der kurzfristige Kick, sondern ein anhaltendes Glücksgefühl, das unser Leben bereichert und uns außerhalb der eigenen Komfortzone zu neuen Herausforderungen anspornt“, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Positive Psychologie steigert Lebensfreude

Nachweislich steigen in den beglückenden Momenten eines Flows die Werte des Stresshomons Cortisol an – „aber im Gegensatz zu negativem Disstress in angenehmen Maßen. Das Erregungslevel ist deutlich niedriger und es herrscht das Gefühl vor, die Situation zu kontrollieren“, so Dr. Hagemann. Atmung, Blutdruck und Herzschlag zeigen sich in wohltuender Harmonie. Kreativität und Lebensfreude, Begeisterung und Zufriedenheit nehmen zu – unsere Leistungsfähigkeit steigt, wie Studien belegen. „Je öfter wir solche Flow-Momente erleben, desto eher sind wir bereit, neue Herausforderungen anzugehen“, sagt Dr. Hagemann.

Bereits in den 50er Jahren entwickelten Psychologen das Konzept der „Positiven Psychologie“. Dahinter steckt die Idee, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen gezielt zu aktivieren und auszubauen. „Neue Denkanstöße, Neugierde und der Mut zur Veränderung sollen letztendlich zu einem erweiterten Bewusstsein und einem erfüllteren Leben führen“, sagt Dr. Hagemann. Den angestrebten Zustand absoluter Konzentration und weitgehender Sorglosigkeit fernab der Alltagsprobleme bezeichnete der amerikanische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi in den 70er Jahren als „Flow“ (englisch = fließen) – ein Begriff, der heute populärer ist denn je.

Flow-Effekt ist weitgehend unerforscht

Was bei einem „Flow“ in unserem Gehirn genau abläuft, ist bis heute weitgehend unerforscht. Natürlicherweise tritt er weniger bei Tätigkeiten auf, die reine Pflichterfüllung und Routine sind. Bei Herausforderungen, die als sinnvoll oder freudig empfunden werden und bei denen ich „über mich hinauswachsen“ kann, vielleicht sogar leicht überfordert bin, kommt er deutlich häufiger vor. So wurden die besonderen „Glücksmomente“ schon früh vor allem bei Menschen beobachtet, die ganz und gar in einem Spiel aufgehen.

Heute vermitteln zahlreiche Kurse und Trainer, wie wir diesen kreativen, positiven Bewusstseinszustand in fast allen Lebensbereichen erlangen und positiv erleben können. Doch längst nicht alle Techniken und neuen Herausforderungen sind zielführend, warnen Experten. „Achten Sie darauf, dass die Aufgaben und deren Anforderungen Ihren eigenen Fähigkeiten und Ihrem Know-How genügen und sie auch Erfolge haben können“, empfiehlt Dr. Hagemann. „Basis für ein erfolgreiches Flow-Erleben sind Tätigkeiten, die weder unter- noch deutlich überfordern.“ Andauernde Misserfolge oder Langeweile durch Unterforderung verhindern einen Flow. „Bei aller Euphorie ist eine harmonische Balance von Anspannung und Entspannung empfehlenswert“, so der Facharzt. Denn „wer es übertreibt mit dem leidenschaftlichen Joggen, Fußballspielen oder anderen Aktivitäten riskiert gesundheitliche Schäden statt beglückender Momente.“

Stressbewältigungstechniken und Entspannungsmethoden wie die Progressive Muskelrelaxation oder sogenannte imaginative Techniken und Yoga/Meditation helfen gegebenenfalls beim systematischen Entspannen.