Sind nette, zuvorkommende und empathische Menschen eher Burnout-gefährdet? Gibt es Charaktereigenschaften, die eine solche psychische Krise begünstigen können? Und spielt auch das Geschlecht eine Rolle bei Entstehungsrisiko und Beschwerdebild? Antworten auf diese und andere Patientenfragen von Dr. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.  

Nett, hilfsbereit, empathisch – mit diesen Eigenschaften hat man es im Leben nicht unbedingt leichter. Denn wer zu sehr auf andere Menschen Rücksicht nimmt und seine eigenen, berechtigten Interessen und Bedürfnisse ignoriert, der erhöht unter anderem sein Risiko einer Burnout-Erkrankung. So sind „selbstlose“, leistungsorientierte und verantwortungsbewusste Menschen nachweislich besonders häufig von dieser psychischen Störung betroffen.  

Vielfach steckt hinter dem Bedürfnis, es allen recht zu machen, die Angst anderenfalls Anerkennung und Zuneigung der Mitmenschen zu verlieren. Doch bei Kollegen und Mitmenschen stößt die „aufopfernde“ Leistungsbereitschaft oft auf weitaus weniger Wertschätzung als erhofft. Im Gegenteil: Vielfach wird das Verhalten als naiv und unklug empfunden. Schlimmstenfalls geraten die Betreffenden in eine Opferrolle und werden ausgenutzt. Aber auch ohne „böse Absicht“ werden „Ja-Sager“ besonders gerne belastet. Denn möchte ich etwas erledigt haben, so gehe ich natürlich zuerst zu der Person, von der ich erwarte, dass sie mir die Aufgabe abnimmt. Hierdurch nimmt natürlich auch der Erwartungsdruck zu, so dass es zu einer sich selber verstärkenden Abwärtsspirale kommt.  Es wird zur Normalität, die eigenen, vielleicht auch unangenehmen oder überfordernden Aufgaben immer bei der gleichen Person abzuladen. Bis zum tiefgreifenden psychischen und körperlichen Erschöpfungszustand ist es da oft nur eine Frage der Zeit.  

Abgrenzung ist gesund  

Um dem entgegenzuwirken, hilft nur eins: Grenzen zu setzen und öfter mal freundlich, aber klar „Nein“ zu sagen, auch wenn es schwerfällt. Ziel sollte es sein, verstärkt auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, statt stets den Wünschen anderer nachzukommen. Empathie ist zwar erwünscht, aber sich dabei bitte dennoch bewusst abgrenzen und das eigene Wohlergehen im Blick behalten. Dazu zählen nicht zuletzt persönliche Momente des Glücks und der Entspannung: Machen Sie öfter eine Pause, in der Sie durchatmen oder einfach das tun, was Ihnen Spaß macht.  

Entspannend wirken kann es auch, öfter „fünf gerade sein zu lassen“ statt immer alles 150-prozentig machen zu wollen. Denn vielfach können gerade Perfektionisten nur schwer herunterfahren.  Nicht nur für sie ist es wichtig, sich selbst eigene Belastungsgrenzen klarzumachen und die eigenen Ansprüche und Erwartungen entsprechend zu korrigieren. Gelingt das nicht, so kann eventuell therapeutische Hilfe das Problem tiefgehend lösen. Denn nicht selten liegen die Wurzeln für ein überzogenes Harmoniebedürfnis oder 100%ige „Ordnung“ bereits in Kindheit und Erziehung.