Email, Smartphone, Laptop – rund um die Uhr erreichbar zu sein, wird immer mehr zum Stress-Beschleuniger. Manch einer verfällt regelrecht in Panik, sobald das Handy einmal ausfällt. Nomophobie nennt sich diese neue Angststörung des digitalen Zeitalters. Mit folgenden Experten-Tipps wird der Umgang mit Smartphone und Co. wesentlich stressfreier.

Mails, Smartphone und Messenger-Dienste wie Whatsapp halten uns pausenlos auf Trab. Sich rund um die Uhr übers Handy auszutauschen, ist für viele längst wesentlicher Bestandteil ihres Alltags. Schon der Gedanke, eventuell auch nur kurzzeitig ohne Verbindung zu sein, lässt da den Stresslevel oftmals rapide hochschnellen. Ist das Handy einmal nicht zur Hand oder fallen Akku oder das Netz aus, so reagiert manch passionierter Nutzer nervös und unsicher auf die beklemmende Situation. „Neben der Angst etwas zu verpassen spielt sicherlich auch der selbst auferlegte Erwartungsdruck eine große Rolle,“ erläutert Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Privatklinik Merbeck im nordrhein-westfälischen Wegberg sowie der Röher Parkklinik in Eschweiler. Konkret bedeutet das: „Ich denke, dass das Gegenüber eine sofortige Antwort erwartet und ich entspreche nicht den Erwartungen, ich enttäusche“, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Als Nomophobie bezeichnen Experten die neue Angststörung der Handy-Generation – abgeleitet von „No-Mobile-Phone-Phobia“. Verunsicherung und innere Unruhe sind ebenso typische Symptome wie Zittern oder Schweißausbrüche. „Häufig betroffen sind Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die ihr Handy so gut wie nie zur Seite legen“, weiß Dr. Hagemann aus jahrelanger Praxis. Häufig stecken hinter dem eigentlich relativ harmlosen Phänomen ein behandlungsbedürftiges Suchtverhalten oder andere psychische Erkrankungen (beispielsweise Angst- und Zwangsstörungen oder eine soziale Phobie). Was hilft bei Nomophobie? „Aufgrund des neuen Krankheitsbildes der Nomophobie gibt es noch keine fundierten Erkenntnisse über die Wirksamkeit der verschiedenen psychotherapeutischen Möglichkeiten“, betont Dr. Hagemann. Existieren primäre, also vorausgehende Störungen, so stehen diese im Mittelpunkt der konventionellen Behandlung. „Da das Verhalten und die Symptome der Betroffenen anderen Süchten und Ängsten ähneln, ist die dort in der Regel angewendete kognitive Verhaltenstherapie wahrscheinlich hilfreich.“

Multitasking überfordert das Gehirn

Wer sein Smartphone nicht ab und zu offline schaltet, der riskiert eine permanente Überflutung an Nachrichten, Bildern und weiteren Informationen. „Zu lernen, wieder für gewisse Zeiten ohne Handy auszukommen, ist einer der wichtigsten Therapieschritte und auch eine bewährte Präventiv-Maßnahme“, erläutert Dr. Hagemann. Nicht ständig erreichbar zu sein, schafft mehr persönliche Freiräume und fördert zudem den Stressabbau. „Hilfreich ist es, selbst einmal zu überprüfen, wie viele Stunden man täglich online ist“, rät der Experte. „Das Ergebnis wird manchen überraschen und eventuell zum achtsameren Handy-Umgang motivieren.“ Nicht umsonst haben einige große Firmen die Weiterleitung von Emails außerhalb der Kernarbeitszeiten abgestellt, da eine fehlende Regeneration zu schlechteren Arbeitsleistungen führt.

Ebenso hilfreich und entspannend ist es, das ständige Multitasking zu beschränken – also beispielsweise neben dem Telefonieren nicht gleichzeitige Mails zu checken oder im Internet zu surfen. „Diese parallelen Tätigkeiten überfordern unser Gehirn“, warnt Dr. Hagemann. „Denn es ist schlicht und einfach nicht in der Lage, sich gleichzeitig auf zwei komplexe Tätigkeiten zu konzentrieren.“ Die Folge: Unsere Leistungsfähigkeit wird nicht gesteigert, sondern gedrosselt. „Wir springen in den Themen hin- und her und müssen uns gedanklich jedes Mal neu hineinarbeiten“, so der Facharzt. Letztendlich gelingt nichts richtig. Der Experten-Tipp: „Sich besser nacheinander auf jeweils eine Sache konzentrieren statt stets zwischen zwei komplexen Aufgaben hin und her zu springen.“ Ansonsten ist negativer Stress buchstäblich programmiert.

So meistern Sie Stresssituationen besser

Hilfreich gegen digitalen Stress ist auch die Stummschalt-Möglichkeit von Handy oder Laptop, um ungestört arbeiten oder entspannen zu können. „Nehmen Sie sich generell feste Auszeiten“, rät Dr. Hagemann. „Bereits eine Viertelstunde täglich „abgezwackt“ für die eigenen Bedürfnisse, hilft dabei, dem Stress mental entgegenzusteuern.“

Entspannend wirken generell Atemübungen wie die 4-7-8-Methode: Die Zungenspitze hinter die oberen Schneidezähne legen und dann durch die Nase einatmen (dabei bis vier zählen). Dann den Atem anhalten (dabei bis sieben zählen). Anschließend durch den Mund ausatmen (dabei bis acht zählen). Das Ganze dreimal wiederholen.

Stressbewältigungstechniken und Entspannungsmethoden wie die Progressive Muskelrelaxation oder Yoga/Meditation bringen ebenfalls mehr Ruhe ins Leben und bei Nomophobie.

Das hilft bei besonders stressigen Jobs

Hilfreich ist im Allgemeinen eine bessere Work-Life-Balance. Dabei erschließen vielfach bereits eine Arbeitszeitverkürzung, Home-Office (zumindest zeitweise), mehrmalige Kurzurlaube zusätzlich zu den einmaligen mehrwöchigen Sommerferien ein gesünderes Verhältnis von Berufs- und Privatleben. Auch die Klärung chronischer Konflikte (z.B. mit dem Kollegen) oder die Vermeidung wiederholter Überforderungssituationen erleichtern das (Berufs-)Leben. Was hilft noch? Dr. Hagemann: „Gut ist es, verstärkt auf eigene Bedürfnisse zu achten, öfter mal „Nein“ zu sagen und „fünf gerade sein zu lassen“ statt immer alles 150-prozentig machen zu wollen.“ Denn: Vielfach können gerade Perfektionisten nur „schwer herunterfahren“.