Im Alter wächst das Depressions-Risiko erheblich. Neben typischen Symptomen wie Antriebsverlust, Verstimmungen und Trauer kommt es vielfach auch zu Störungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit. Häufig wird deshalb irrtümlich eine Demenz als Ursache vermutet …    

Wer im Alter an Depressionen erkrankt, der sucht oft vergebens fundierte Hilfe: Experten gehen davon aus, dass höchstens 20 Prozent der Betroffenen dem Krankheitsbild entsprechend behandelt werden. Der Grund dafür ist das oftmals unübersichtliche Beschwerdebild: „Neben Hauptsymptomen einer Altersdepression (wie Antriebsverlust, Hoffnungslosigkeit und Trauer) kommt es unter anderem vielfach auch zu Störungen kognitiver Fähigkeiten – in erster Linie der Konzentrations- und Merkfähigkeit“, weiß Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der psychosomatischen Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck, aus jahrelanger Praxis. Dadurch wird häufig irrtümlich eine Demenz als Ursache vermutet. Doch diese entpuppt sich bei tiefgehender medizinischer bzw. therapeutischer Analyse in sehr vielen Fällen als sogenannte Pseudodemenz. „Der Unterschied ist, vereinfacht dargestellt, dass bei einer „echten Demenz“ das Archiv, in welchem das Wissen abgelegt wird, kaputt geht und bei einer sogenannten Pseudodemenz auf das Wissen nicht aktiv zugegriffen werden kann“, erklärt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. 

Eine sichere Diagnose ist oft schwierig. Denn andererseits verfallen Menschen mit beginnender Demenz vielfach in Trübsinn und Verzweiflung, was wiederum irrtümlich zur Diagnose Depression führen kann. 

Fehldiagnose „Alterserscheinung“ 

Neben den psychischen Beschwerden treten bei älteren Patienten oftmals körperliche Symptome in den Vordergrund, was eine sichere Diagnose zusätzlich erschwert. Denn „hinter Rückenschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Magen- und Darmproblemen oder Schwindel sowie anderen körperlichen Funktionsstörungen verbirgt sich nicht selten eine psychische Belastung“, erklärt Dr. Hagemann. „Vielfach werden diese Beschwerden medizinisch falsch interpretiert als sogenannte typische Alterserscheinung – und dementsprechend unzureichend behandelt.“  

Wege aus der Isolation 

Experten schätzen, dass ca. 10 bis 20 Prozent aller Rentner über 65 von einer Depression betroffen sind (inklusive leichterer depressiver Verstimmungen). Demgegenüber liegt die Quote in der Gesamtbevölkerung bei etwa fünf bis zehn Prozent. Unterschiede gibt es nicht nur in der Häufigkeit der Erkrankung, sondern auch bei den auslösenden Momenten: Während bei jüngeren Menschen vielfach Probleme im Job eine psychische Krise auslösen, sind das bei   älteren Menschen primär Gesundheitsproblemen, körperliche Beschwerden oder Einsamkeit (etwa durch den Tod des Lebenspartners oder naher Freunde). In der täglichen Konfrontation mit Krankheit, Verlust und Isolation sehen Experten denn auch eine Haupt-Ursache für das wachsende Suizidrisiko im Alter.  

Doch Wege aus der Isolation zu finden, ist schwierig: Freunde und Verwandte sind häufig bereits gestorben oder gebrechlich. „Spezielle Angebote wie Seniorencafés oder ähnliches werden oft abgelehnt, da es eine große Überwindung bedeutet sich auf Neues einzustellen und sich gebrechlich/krank zu zeigen“, berichtet Dr. Hagemann. „Dennoch sollte gerade von Angehörigen oder Freunden, falls vorhanden, der Versuch unternommen werden, depressive Menschen hierzu zu ermutigen“, rät der Facharzt eindringlich. Sind Treffen vor Ort nicht mehr möglich, so lassen sich positive Kontakte notfalls auch per Telefon oder Skype pflegen. „Diese haben stabilisierende Wirkung und lenken uns ab von unseren Sorgen – insbesondere in diesen schwierigen Zeiten.“  

Psychopharmakotherapie hilft 

Bei allen Depressionserkrankungen ist eine fachgerechte professionelle Behandlung generationsübergreifend das A und O. „Bei leichteren Depressionen genügt oftmals bereits eine Psychotherapie“, betont Dr. Hagemann. „Bei mittleren bis schweren Beschwerden lässt sich auch bei älteren Menschen durch die Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva eine spürbare Besserung erreichen“, versichert der Experte. Entspannungs- und Meditationskurse haben sich ebenfalls bewährt. Denn „vielfach leiden depressive Menschen unter innerer Unruhe sowie massiven körperlichen und seelischen Anspannungen“, führt der Facharzt aus. Besonders bewährt haben sich hierbei die Progressive Muskelrelaxation sowie Autogenes Training. 

Das steigert den Therapie-Erfolg  

Hilfreich und vorbeugend wirken Sport (falls möglich) bzw. regelmäßige Bewegung. Selbst im fortgeschrittenen Alter steht beispielsweise einer Wanderung durch den Herbst- oder Winterwald nichts im Wege. Schon eine kurze Strecke fördert die Durchblutung bestimmter Gehirnregionen um bis zu einem Drittel, haben Experten errechnet. Zudem führt die bessere Durchblutung zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen, was Stimmung und Glücksempfinden zu Gute kommt. Neben der Bewegung ist hierbei auch die Sonneneinstrahlung förderlich und die ätherischen Öle in der Waldluft wirken beruhigend und entspannend.  

Wann sollte der Arzt konsultiert werden? 

„Damit die Beschwerden nicht chronisch werden, sollte grundsätzlich bei länger als zwei oder drei Wochen andauernden Depressionen der Hausarzt aufgesucht werden“, rät Dr. Hagemann. Dieser kann beurteilen, ob psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe erforderlich ist – und ob es sich bei der Erkrankung wirklich um eine Depression oder eventuell „nur“ um eine Verstimmung handelt.