Immer mehr Menschen verzichten freiwillig auf Karriere, Image und dickes Gehalt. Stattdessen bevorzugen sie ein selbstbestimmtes Leben mit weniger Stress und mehr Zeit für Familie und/oder Hobbys.  Was dran ist am Trend „Downshifting“ erläutern Experten … 

Vorbei die Zeiten der Workaholics: Statt bis zum Umfallen zu schuften, wünschen sich immer mehr Menschen ein selbstbestimmteres, stressfreieres Leben. „Dafür nehmen sie gegebenenfalls auch einen Karriereknick oder Gehaltseinbußen in Kauf“, weiß Dr. Torsten Grüttert, Chefarzt der Privatklinik Duisburg, aus täglicher Praxis. „Werte wie eine ausgeglichene Work-Life-Balance sind für sie weitaus entscheidender als der Erfolg im Job“, betont der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.  

Hektik, Stress, Leistungsdruck – all dies forciert den Trend zum Aussteigen: „Immer mehr Menschen fühlen sich überfordert und ausgepowert“, berichtet Dr. Grüttert.  Die Zahlen sprechen für sich: Experten schätzen, dass in Deutschland bis zu 20 Prozent der Berufstätigen im Laufe ihres Arbeitslebens burnoutartige Phasen durchleiden. Schuld an der Misere sind Arbeitsverdichtung, Multitasking, Digitalisierung sowie weitere Stress-Faktoren unserer Zeit, die uns einfach nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. „Hinzu kommt vielfach der Identifikations-Verlust mit der Arbeit“, berichtet Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Eschweiler und Merbeck. „Dies lässt viele an ihrer Tätigkeit und deren Sinnhaftigkeit zweifeln. Sie fühlen sich in ihrem Beruf und in ihrem Leben unwohl und suchen eine sinnvolle Alternative.“ Beförderungen, Gehaltserhöhungen, Image – vieles, was zuvor wichtig war, verliert zunehmend an Bedeutung. Nicht selten gehen dem Wertewandel eine Lebenskrise oder ein Burnout voraus. 

Schritt für Schritt zur besseren Work Life   

Manche steigen ganz aus ihrem Job aus oder wechseln in eine andere Branche. Andere begnügen sich mit einer Arbeitszeitverkürzung. „Im Mittelpunkt steht bei allen jedoch der Wunsch nach weniger Stress, mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys sowie ein selbstbestimmteres Leben“, sagt Dr. Grüttert. 

Zeichnet sich ab, dass Job und Arbeitszeit nicht mehr zum eigenen Lebensentwurf passen, so ist Reflexion gefragt: „Vor dem Downshifting sollte man sich gut überlegen, was man eigentlich will und wo der Weg hingehen soll“, rät Dr. Grüttert. Ist es vielleicht gar nicht der Beruf, sondern sind es vielmehr die momentanen Arbeitsbedingungen, die nerven? Wünscht man sich wirklich langfristig mehr Freizeit und Entspannung oder ist es eventuell nur aktuell besonders stressig? Und sind auch finanzielle Einschnitte durch die beruflichen Veränderungen kein Problem? „In unserer leistungsorientierten Gesellschaft wird ein solcher Schritt vielfach immer noch als Schwäche oder Versagen gesehen und ruft dementsprechend oftmals Ablehnung oder Widerstände hervor“, sagt der Experte. „Die Konsequenzen sollten deshalb genau abgewogen und mögliche Folgen bedacht werden.“      

So verbessern Sie Ihre Work Life Balance   

Neben beruflichen Veränderungen können auch kleinere Schritte eine bessere Work Life Balance und somit mehr Zufriedenheit mit sich bringen.  „Gut ist es grundsätzlich, verstärkt auf eigene Bedürfnisse zu achten, auch mal „Nein“ zu sagen und einen Gang herunterzuschalten“, betont Dr. Hagemann. „Einen positiven Effekt hat es zudem, weitere Lebensziele zu definieren, um nicht auf die 100-prozentige Identifikation im Beruf und den damit verbundenen „Sinn im Leben“ angewiesen zu sein“, rät der Facharzt.   

Vielfach erschließen bereits Arbeitszeitverkürzung, Home-Office (zumindest zeitweise) und mehrmalige Kurzurlaube statt der einmaligen mehrwöchigen Sommerferien ein gesünderes Verhältnis von Berufs- und Privatleben. Hilfreich ist es zudem, sich kleinere oder größere, lang gehegte Wünsche zu erfüllen. „Beglückend können sich zudem Sport oder angenehme soziale Kontakte auswirken.“