Immer mehr Menschen erhoffen sich von der Hypnotherapie eine Lösung ihrer Probleme: In einem Bewusstseinszustand tiefer Entspannung lassen sich Ängste, Depressionen, Schmerzen und weitere Beschwerden relativ schnell und effizient behandeln. Selbst bei der Geburtshilfe, bei Essstörungen oder Nikotinentzug kann die hypnotische Trance helfen.
Hypnose? Da denken die meisten Menschen wohl an Zaubershows und Varietés mit manipulativen Techniken. Dabei sind die wissenschaftlichen Möglichkeiten der medizinischen Hypnotherapie mindestens ebenso faszinierend – und alles andere als Hokuspokus. Rund 200 internationale Studien belegen die Wirksamkeit dieses wissenschaftlich fundierten und offiziell anerkannten Verfahrens.
Vom Therapeuten in tiefe Trance versetzt (nicht vergleichbar mit Schlaf, griech. Hypnos, wie man früher dachte), richtet sich der Focus bei der Hypnotherapie auf innere Bilder und konkrete Vorstellungen. In der Hypnotischen Trance können physiologische, kognitive und affektive Prozesse und Verhalten modifiziert sowie einschränkende Aspekte des kontrollierenden Wachbewusstseins reduziert werden. Der veränderte, tiefenentspannte Bewusstseinszustand bietet dabei ideale Voraussetzungen, um belastende Ereignisse der Vergangenheit zu bearbeiten, positive Kräfte freizusetzen und/oder neue wohltuende Denkmuster zu entwickeln. Emotional belastende Ereignisse können restrukturiert und neu integriert werden.
Mit Hilfe der (Auto)-Suggestion wird die Aufmerksamkeit des Patienten auf neue positive Aspekte im Unterbewusstsein gelenkt. Positive Metaphern und Sprachbilder sind bei der kreativen Problembewältigung von wesentlicher Bedeutung, damit abgespaltene Anteile positiv modifiziert und integriert werden können.
Wie funktioniert eine Hypnotherapie konkret?
Der Patient begibt sich mental in eine Situation, die bei ihm beispielsweise Panikattacken auslöst oder ihn erfahrungsgemäß in anderer Form belastet. Tief entspannt, aber dabei dennoch hochkonzentriert, ist er fixiert auf bestimmte Gedanken – etwa Ängste oder Zwangsvorstellungen. Wahrnehmungen von außen sind buchstäblich ausgeblendet. Suggestionen des Therapeuten, also konkrete, mit dem Patienten zuvor abgesprochene Vorschläge, helfen ihm dabei, unbewusst neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Ziel der Behandlung ist es nicht, beispielsweise Ängste auszumerzen, sondern diese zu verstehen und zu lernen, mit diesen anders als bisher umzugehen. Suggestion in der Hypnose ist eher als ein Ressourcen- und Lösungsorientiertes „Angebot“ zu verstehen, das durch einen besseren Zugang zu eigenen Emotionen das eigene Potential des Patienten und dadurch seine Fähigkeit zur Problembewältigung stärkt. Zur Intensivierung des Behandlungserfolgs bieten manche Therapeuten den Patienten die Möglichkeit, Selbst-Hypnose zu erlernen.
Neben Angsterkrankungen und Phobien empfehlen immer mehr Psychotherapeuten die Hypnotherapie auch bei Anpassungsstörungen, Burnout-Erkrankungen, leichten bis mittelschweren Depressionen oder Zwängen. Doch trotz nachgewiesener Wirksamkeit führt dieses Verfahren nach wie vor – im Gegensatz zu beispielsweise Psychotherapie oder Verhaltenstherapie – immer noch eher ein Schattendasein. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Kassen diese medizinische Leistung nicht übernehmen, vermuten Experten.
Der Anästhesist wird zum Hypnotiseur
Neben der rein therapeutischen Anwendung erobert die Hypnotherapie auch zunehmend medizinische Bereiche wie etwa Geburtshilfe und Schmerzbehandlung. So wird sie immer häufiger eingesetzt, um Patienten beispielsweise operative Eingriffe zu erleichtern: Im Zustand tiefster Entspannung wird die Aufmerksamkeit des Patienten sozusagen nach innen fokussiert – auf positive Stärken und hilfreiche, verborgene Ressourcen. Diese positiven Momente lenken ab von körperlichen Schmerzen. Nach der OP erinnern sich die Patienten oft nur oder größtenteils an angenehme entspannte Momente.
Erste Anwendungen im antiken Ägypten
Die Schmerzbehandlung per Hypnose ist alles andere als eine moderne Errungenschaft: Bereits im 19. Jahrhundert wurde diese Methode zur Betäubung eingesetzt, einige Zeit noch vor dem Lachgas. Und auch Sigmund Freud integrierte die Hypnose Ende des vorletzten Jahrhunderts in seinem topografischen Modell der Bewusstseinsebenen. Bekannt war das Behandlungspotential aber bereits weitaus früher: Schon im antiken Ägypten und Griechenland schätzte man die Hypnose-Möglichkeiten zur Heilung. Heute bieten alleine hierzulande über 10.000 speziell ausgebildete Ärzte, Zahnärzte und Psychologen diese Methode an – oft kombiniert mit systemischer oder Verhaltenstherapie.
Nicht jeder Mensch lässt sich hypnotisieren
Nicht alle Menschen lassen sich gleich gut in einen Trancezustand versetzen. Bei manchen gelingt das gar nicht. Von grundlegender Bedeutung ist es, sich auf diese Therapieform einzulassen und regelmäßig an den Sitzungen teilzunehmen. Für einen Behandlungserfolg genügen in der Regel sechs bis acht Therapiestunden – eine entsprechende Qualifikation bzw. Weiterbildung des Therapeuten vorausgesetzt. Dieser leitet den Patienten versiert an, übt in der modernen Hypnotherapie aber keinen Druck auf ihn aus. Zu jeder Zeit behält der Patient die Selbstkontrolle und bestimmt die Richtung des Therapie-Verlaufs. Darüber hinaus hat der Patient jederzeit die Möglichkeit, die Sitzung zu unterbrechen oder um eine Dokumentation per Tonaufnahme zu bitten.
Nebenwirkungen sind, wie auch bei anderen Entspannungsmethoden, sehr selten. Es besteht das geringe Risiko leichter Kopfschmerzen, Schwindels oder einer Retraumatisierung, also des erneuten Erlebens alter Konflikte. Für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen ist diese Methode nicht geeignet.