Millionen Menschen leiden unter Depressionen. Oftmals verstecken sich diese hinter Schmerzen sowie anderen körperlichen Beschwerden – und lassen sich deshalb schwer erkennen. Doch was ist eine versteckte Depression genau?

Ca. 17 Prozent aller Menschen leiden unter chronischen Schmerzen, belegt eine internationale Studie (Pain in Europe Survey). Doch vielfach haben die Kopf-, Nacken oder Rückenschmerzen keine organische Ursache, sondern sind psychisch bedingt: „Häufig verbergen sich hinter Schmerzattacken ohne organischen Fokus depressive Verstimmungen. Aber auch Magen- und Darmbeschwerden oder andere körperliche Funktionsstörungen können auf eine psychische Belastung hinweisen“, erläutert Dr. Andreas Hagemann. „Nicht selten sind die körperlichen Symptome sogar ausgeprägter als die psychischen – insbesondere bei älteren Menschen“, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Folge: Als typische Alterserscheinung werden sie medizinisch vielfach falsch interpretiert und unzureichend behandelt.

Versteckte Depressionen sind selbst für Therapeuten oftmals nur schwer auf den ersten Blick zu erkennen. Denn längst nicht immer „verrät“ ein melancholischer Gesichtsausdruck eine behandlungsbedürftige Schwermut, wie viele vermuten. „Häufig überspielen depressive Menschen ihren inneren Zustand und ihre Verzweiflung hinter einem aufgesetzten Lächeln“, weiß Dr. Hagemann. Neben den klassischen Symptomen (wie etwa Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Trauer) können auch auffällige Veränderungen des Verhaltens auf eine versteckte Depression hinweisen. Bei Männern können Aggressivität, Gereiztheit und Wut auftreten. Diese unspezifischen Symptome können die klassischen Anzeichen einer Depression überlagern. Und auch Gefühlsschwankungen können Anzeichen einer versteckten Depression sein – teilweise wechseln die Emotionen innerhalb kurzer Zeit. Hinzu kommen nicht selten Ungeduld, wenig Entscheidungsfreude oder mangelnde Kritikfähigkeit.

Ein weiteres Anzeichen ist die von depressiven Menschen gesuchte Einsamkeit. „Die Erkrankten ziehen sich von ihrer Umwelt zurück. Selbst Kleinigkeiten und ehemals als schön erlebte Interessen werden zu viel. Sie meiden Treffen mit Freunden oder Verwandten – und fördern so ungewollt ihre Beschwerden. Denn „erfahrungsgemäß haben Gespräche mit Familie oder Freunden stabilisierende Wirkung“, versichert der Experte. „Mit anderen Menschen Sorgen zu teilen, hilft oft mehr als gedacht, notfalls auch per Telefon oder Skype.“

Was hilft bei (versteckten) Depressionen?

Sind die Gemütsschwankungen weniger ausgeprägt, so helfen oftmals „leichtere“ Maßnahmen wie beispielsweise die Einnahme von Johanniskraut. „Zuvor sollte jedoch der Arzt befragt werden“, betont Dr. Hagemann. „Denn in Verbindung mit anderen Medikamenten sind schwerwiegende Nebenwirkungen möglich.“ Vielfach zeigen auch Traubensilberkerzen-Präparate, ätherische Öle oder homöopathische Behandlungen Wirkung bei leichteren Beschwerden.

Neben typischen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Interessensverlust leiden depressive Menschen oft unter innerer Unruhe sowie massiven körperlichen und seelischen Anspannungen.  Aus diesem Grund sollten Entspannungs- und Meditationskurse zum festen Bestandteil jeder Behandlung gehören.  Denn: „Kontinuierliche Zeiten im Entspannungsmodus fördern die geistige und körperliche Regeneration“, „außerdem ermöglichen sie es dem Patienten, besser mit belastenden Situationen und Stress umzugehen.“ Besonders bewährt haben sich hierbei die Progressive Muskelrelaxation sowie Autogenes Training.

Spazieren Sie dem Stimmungstief davon

Regelrecht antidepressiv wirken können Wanderungen durch den Wald. „Durch die bessere Durchblutung kommt es zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen, was Stimmung und Glücksempfinden zu Gute kommt“, erläutert der Experte. Und auch Sport kann unsere Stimmung aufhellen. Denn wer regelmäßig joggt oder in die Pedale tritt, der fördert die Produktion des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn – und somit das Gefühl für Glück und Freude. Dabei ist es für einen Start eigentlich nie zu spät – das Okay des Hausarztes vor dem ersten Training vorausgesetzt.

Ausreichender Schlaf, der mäßige Genuss von Alkohol, Nikotin und Kaffee sowie die Vermeidung wiederkehrender Überforderungssituationen sind weitere wirkungsvolle Faktoren im Kampf gegen Depressionen.