Wie kann ich akute Stress-Situationen souveräner beherrschen? Welche Tipps helfen sofort? Wie gehe ich langfristig besser mit Stress um? Wann ist dieser positiv und wann eher negativ? Hier die Antworten darauf sowie einige gute Tipps für den leichteren Umgang mit dem täglichen Stress …

Der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller, die Muskeln verspannen: Stress setzt uns körperlich und seelisch regelrecht unter Druck. Nicht nur der Job, sondern auch die Freizeit wird für viele immer mehr zum Stress-Faktor – von Erholung keine Spur: „Der ständige Blick aufs Smartphone und die geposteten Aktivitäten der Anderen lassen uns oft nicht zur Ruhe kommen“, erläutert Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Haku-Privatkliniken   Duisburg, Eschweiler und Merbeck. „Wie Studien zeigen, verlernen wir zunehmend unsere Freizeit zu genießen – und schaden so auf Dauer vielfach unserer Gesundheit“, warnt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Denn „wer das ganze Wochenende ständig verplant und rundum ausgebucht ist, der fördert eher Erschöpfung als Entspannung.“

Der Experten-Tipp: „Versuchen Sie nicht, das Maximale aus dem Wochenende herauszuholen, sondern setzen Sie Akzente durch einige ausgewählte Termine. Das müssen nicht immer Highlights sein, aber es sollten Momente sein, die Ihnen Spaß machen, die Sie möglichst unbeschwert genießen können.“ Außerdem zumindest zeitweise offline gehen.

Immunsystem, Zeugungsfähigkeit: So schadet Stress

Stress ist nicht per se schlecht: Herausfordernde Situationen wie Prüfungen oder Vorstellungsgespräche können – neben der Anspannung – auch belebende, positive Gefühle hervorrufen. Doch, während gesunder Stress, auch Eustress genannt, Glückshormone freisetzt und unsere Konzentration und Leistungskraft kurzfristig sogar erhöhen kann, wirkt sich Disstress langfristig negativ auf Körper und Geist aus. Darunter leidet nicht nur die Psyche, sondern auch der Körper erheblich: Das Immunsystem wird geschwächt, Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit sowie Libido werden reduziert. Es drohen Beschwerden wie Magenschmerzen und Durchfall bis hin zu Diabetes und schweren Herz-/Kreislauferkrankungen. Selbst depressive Erkrankungen sind ein mögliches Resultat der biochemischen Veränderungen des Gehirns.

Eine weitere häufige Folge: Schlafstörungen. „Hohe berufliche oder private Anspannung tagsüber lässt mich auch abends vielfach nicht zur Ruhe kommen“, erklärt Dr. Hagemann. Das Gedankenkarussell dreht sich weiter und weiter. „Dadurch finde ich nur schlecht in den Schlaf und oftmals ist dieser dann unruhig“, so der Experte.

Studien belegen zudem, dass permanenter Stress die Entstehung von Alzheimer und Demenz begünstigen kann. So weisen daran Erkrankte einen höheren Spiegel des Stresshormons Cortisol auf als gesunde Menschen.

So umfahren Sie Stress-Situationen 

„Stress-Momente lassen sich natürlich nicht alle ausschalten,“ räumt Dr. Hagemann ein, „aber es ist möglich, sie besser zu beherrschen.“ Das heißt konkret: „Statt beispielsweise in einem Stau, erfahrungsgemäß für viele ein blutdrucktreibendes Dauer-Ärgernis, nervös auf dem Lenkrad herumzuklopfen, vertreibe ich mir die Zeit mit sinnvolleren Tätigkeiten“, rät der Experte, „beispielsweise mit einem Hörbuch oder einem gesunden Snack zwischendurch.“ Die Entspannung lässt meist nicht lange auf sich warten: „Der Stress nimmt bereits ab, wenn ich die Situation als gegeben akzeptiere“, betont Dr. Hagemann. „Schließlich habe ich es nicht in der Hand, diese zu ändern – auch wenn sie mich noch so sehr ärgert und aufregt.“ Also stattdessen für einen mentalen Perspektivwechsel sorgen und aktiv werden: „Wer handelt, der gewinnt das Gefühl der Kontrolle zurück – und das nimmt Stress.“

Gehen Sie in die Vogel-Perspektive

Abstand gewinnen – so lautet die Grundregel in hektischen Situationen. „Hilfreich kann hierbei die Vogelperspektive sein, also das Ganze von oben zu begutachten und einzuschätzen“, erklärt Dr. Hagemann. Ist die Situation wirklich so brenzlig? Was kann schlimmstenfalls passieren? Gibt es nicht Alternativen bzw. Lösungen? „Antworten auf diese und ähnliche Fragen bringen mich meist wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und können die Situation entspannen“, betont der Experte.

Viele Stress-Situationen lassen sich auch vermeiden: „Beispielsweise indem ich nicht abends um 18.00 Uhr im überfüllten Supermarkt einkaufe, falls möglich oder am Wochenende nicht alles erledige, was die Tage zuvor liegengeblieben ist“, rät der Facharzt. Wichtig ist es, Stress-Auslöser zu identifizieren: „Überlegen Sie einmal, welche Situationen Sie besonders stressen und wie Sie diese künftig weitgehend umgehen können.“

Schalten Sie öfter in den Entspannungs-Modus

Noch besser und effizienter lässt sich dem Stress langfristig entgegensteuern. Stressbewältigungstechniken und Entspannungsmethoden wie die Progressive Muskelrelaxation oder sogenannte imaginative Techniken und Yoga/Meditation bringen systematisch mehr Ruhe ins Leben.

Aber auch kleine, feste Auszeiten zwischendurch senken Stress-Level und Blutdruck. Dabei sind gar keine großartigen Kraftanstrengungen erforderlich: Regelrecht antidepressiv wirken können beispielsweise schon Wanderungen durch den Wald. „Durch die bessere Durchblutung kommt es zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen, was Stimmung und Glücksempfinden zu Gute kommt“, erläutert der Facharzt.

Joggen Sie dem Stress davon

Als wahren „Entschleuniger“ empfehlen Mediziner regelmäßigen Sport. Denn wer regelmäßig joggt oder in die Pedale tritt, der fördert die Produktion des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn – und somit das Gefühl für Glück und Freude. Dabei ist es für einen Start eigentlich nie zu spät – das Okay des Hausarztes vor dem ersten Training vorausgesetzt.

Auch ein heißes Bad zwischendurch bringt oft Ruhe und Entspannung. Ebenso wohltuend kann es wirken, digital öfter abzuschalten und für eine gewisse Zeit nicht erreichbar zu sein.

Woher kommt eigentlich Stress?

„Die Forschung hat erwiesen, dass hinter Stress ein tief in uns verankerter archaischer Mechanismus steckt,“ berichtet Dr. Hagemann. „Dieser diente ursprünglich dazu, den Körper in lebensbedrohlichen Situationen zu wappnen und ihn in Sekundenschnelle auf Höchstleistungen für Flucht oder Kampf vorzubereiten“, führt er weiter aus. Dementsprechend werden auch heute noch in besonders herausfordernden Lebenslagen Stresshormone ausgeschüttet – in erster Linie Adrenalin und Cortisol.

Warum wirkt Stress so erschöpfend?

„Ausschlaggebend sind bestimmte Bereiche im zentralen Nervensystem mit ihren Botenstoffen, in Verbindung mit der Nebenniere und den dort ausgeschütteten Hormonen“, sagt Dr. Hagemann. „Diese befinden sich in einem feinen Gleichgewicht und regulieren sich durch verschiedene Mechanismen nach Beendigung der stressigen Situation selbst. Bei chronischem Stress werden diese Aktivierungsprozesse chronisch überfordert und wirken sich negativ auf Psyche und Körper aus.“ Die Folge: unterschiedliche Fehlfunktionen wie beispielsweise Energie- und Schlaflosigkeit. „Ein Warnsignal ist es sicherlich, wenn sich keine natürliche Regeneration einstellt und sich „unsere Batterien“ nicht mehr aufladen“, erläutert Dr. Hagemann. Oft setzt dann ein Teufelskreis ein, der ernste gesundheitliche Beschwerden verursacht und nicht selten zu Alkohol- und Tablettenmissbrauch führt. Stress wird zum bedrohlichen Dauerzustand: „Bei permanenter Belastung besteht die Gefahr, dass sich der Stress im Gehirn verankert. Gehirnstrukturen und -stoffwechsel verändern sich.“ Doch dem lässt sich jederzeit wirkungsvoll entgegenwirken: „Sinkt das Stresslevel, erholt sich der Organismus und diese Veränderungen gehen zurück“, versichert Dr. Hagemann. Gute Voraussetzungen also für baldige entspanntere Zeiten.

10 gute Tipps zum besseren Entspannen

So bringen Sie mehr Ruhe und Ausgeglichenheit in den Alltag:

  • Hinterfragen Sie Ihr eigenes Verhalten und Ihre persönlichen Erwartungen. Ordnen sie ihre Prioritäten neu.
  • Versuchen Sie Arbeit und Freizeit weitgehend zu trennen.
  • Schalten Sie Ihr Smartphone täglich ab und zu offline. Ansonsten riskieren Sie eine permanente Überflutung an Nachrichten, Bildern und weiteren Informationen.
  • Pflegen Sie angenehme soziale Kontakte und vermeiden Sie Pflichttermine sowie wiederkehrende Überforderungssituationen.
  • Achten Sie auf regelmäßigen Ausdauersport und ausgleichende Freizeitaktivitäten.
  • Testen Sie Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation.
  • Favorisieren Sie eine gesunde ausgewogene Ernährung.
  • Verzichten Sie auf übermäßigen Konsum von Alkohol, Nikotin, Koffein
  • Gönnen Sie sich ausreichenden Schlaf.
  • Planen Sie täglich zwischendurch Entspannungsmomente für das persönliche Wohlbefinden ein.