Depressionen und Übergewicht machen Millionen Menschen das Leben schwer. Doch bedingen sich diese beiden erheblichen Gesundheitsrisiken auch gegenseitig? Macht Übergewicht depressiv? Und was hilft in diesem Fall?

Unter Depressionen und Übergewicht leidet ein Großteil der Bevölkerung. Noch schwerer wird es für die Betroffenen, wenn beides zusammenkommt – und das ist weitaus häufiger der Fall als oft vermutet: Experten gehen davon aus, dass über 40 Prozent aller Menschen mit Depressionen auch übergewichtig sind. Ähnlich ist das Verhältnis umgekehrt: „Ca. 25 Prozent der Menschen mit starkem Übergewicht sind auch depressiv“, sagt Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Röher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen. Ihr Risiko an Schwermut zu erkranken, liegt damit um 50 Prozent höher als bei normalgewichtigen Menschen.

Studien belegen Zusammenhang

Was Studien zum Thema „Macht Übergewicht depressiv?“sagen: Dass Übergewicht Depressionen auslösen kann, belegen verschiedene Studien. „Vielfach beeinträchtigen Diskriminierung und Vorurteile Selbstwertgefühl und Stimmungslage übergewichtiger Menschen erheblich“, erläutert Dr. Hagemann. „Aber auch gesundheitliche Folgebeschwerden des Übergewichts wie etwa Bluthochdruck und Diabetes sind eine wesentliche Ursache“, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie weiter. Darüber hinaus steigt das Depressionsrisiko bei übergewichtigen Menschen durch deren erhöhte Produktion von Zytokinen (Botenstoffen) bzw. dem damit verbunden Anstieg entzündlicher Prozesse.

Abnehmen hebt die Stimmung

Vielfach sinken mit den purzelnden Kilos auch die Verstimmungen – zumindest zeitweilig. Umgekehrt kann eine Behandlung der Depressionen auch das Abnehmen erleichtern. Denn, wie Mediziner bestätigen, erschweren anhaltende Verstimmungen nicht selten die Adipositas-Therapie. „Hilfreich wäre es, wenn Therapeuten beider Fachgebiete enger kooperieren würden“, so Dr. Hagemann. „Dies würde die systematische Behandlung der Beschwerden erleichtern.“ Zudem ließe sich so beispielsweise verhindern, dass Antidepressiva verordnet werden, die zu einer weiteren Gewichtszunahme führen.

Laufen Sie den Problemen davon

Bewegung ist ein Schlüsselwort gegen überschüssige Pfunde, aber auch gegen anhaltende Verstimmungen. Regelrecht antidepressiv wirken können Wanderungen. „Stimmungsförderndes Vitamin D wird zu 90 Prozent durch UV-Strahlung, also Sonnenlicht, in der Haut gebildet“, so Dr. Hagemann.  „Zudem kommt es durch die bessere Durchblutung zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen, was sich positiv auf Stimmung und Glücksempfinden auswirkt“, erläutert der Experte.

Auch Sport kann unsere Stimmung an trüben Tagen aufhellen. Denn wer regelmäßig joggt oder in die Pedale tritt, der fördert die Produktion des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn – und somit das Gefühl für Glück und Freude. Dass dies auch der Figur zu Gute kommt, ist ein offenes Geheimnis. Dabei ist es für einen Start eigentlich nie zu spät – das Okay des Hausarztes vor dem ersten Training vorausgesetzt.

Wenn Diäten nur noch frustrieren

Alles andere als hilfreich sind die „guten Ratschläge“ von Freunden und Ärzten: „Wenn ein Mensch mit ausgeprägter Adipositas in meine Sprechstunde kommt, möchte er nicht hören: nehmen Sie doch einfach ab“, betont Dr. Hagemann. Denn nicht selten sind einer psychotherapeutischen Behandlung bereits unzählige „Wunderdiäten“ vorausgegangen. „Viele frustrierende Versuche das Gewicht zu reduzieren enden dann in depressiven Phasen mit   weiterem Gewichtsanstieg“, führt der Experte aus. „Insofern gibt es auch bei Übergewicht einen „Point of no return“ – also einen Punkt, bei dem weder Sport noch Psychotherapie alleine helfen.“

Wenn die Last zu schwer wird

Sind alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und das Übergewicht gesundheitsgefährdend, so bleibt oft nur noch ein operativer Eingriff. „Die sogenannte bariatrische Chirurgie kann dabei helfen, sowohl das Gewicht zu reduzieren als auch die psychische Befindlichkeit zu verbessern“, betont Dr. Hagemann. „Doch dieser schwerwiegende Eingriff sollte keinesfalls ohne psychotherapeutische Behandlung erfolgen, da die Konsequenzen des Eingriffs für die betreffende Person nicht zu überblicken sind.“